Veröffentlichungen zu Sophie Meyer

Sophie Meyer-Boas, Kämpferin für die
Gleichberechtigung der Frauen

Beiträge zum Gedenken
an die Mindener Bürgerin

 

Textauszug aus:

"Geht - lernt die Frauen kennen"

Sophie Meyers Engagement für Demokratie, Frauenrechte und soziale Reformen im 19. Jahrhundert

Über Sophie Meyer war in Minden lange Zeit nur bekannt, dass sie die Mutter des Ethnologen Franz Boas gewesen ist. 1988 hatte Gisela Schlüter-Preuß im "Frauenrundbrief der Gleichstellungsstelle" unter der Überschrift "Sophie Meyer - eine Bürgerin Mindens", auf die große Selbstständigkeit Sophies im Denken hingewiesen und im Hinblick auf ihre Rolle in der 1848er Bewegung betont: Ihrer Zeit and ihren männlichen Gesinnungsgenossen voraus ist sie ganz sicher in der Analyse der Stellung der Frau. Neben Sophies Überlegungen zur gesellschaftlichen Rolle der Frau sind heute weitere Erkenntnisse über ihr demokratisches und soziales Engagement in der Stadt zugänglich, die hier dargestellt werden sollen.

Sophie Meyer wurde am 12. Juli 1828 in Minden als Tochter des jüdischen Kaufmanns Jonas Meyer und seiner Ehefrau Yette, gebürtige Menke, geboren. Jonas Meyer, geboren 1787, entstammte einer angesehenen Kaufmannsfamilie aus Petershagen und hatte 1808 die Staatsbürgerrechte erlangt. 1819 erwarb er die Mindener Bürgerrechte. Der Kaufmann gehörte mit einem veranschlagten Kapital von 10 000 Talern als Kornhändler und Brauereibetreiber zur Oberschicht der Mindener Kaufleute, was die gesellschaftliche Integration in der Stadt begünstigt hat. Sophie Meyer, im elterlichen Haus Markt 166/67 (heute Markt 14) geboren, besuchte nach erstem Unterricht bei Rabbi Elkim während der Jahre 1843/44 die Höhere Töchterschule in Minden. Nach Hans Nordsiek besuchten damals in Minden ein großer Teil und ab 1850 alle schulpflichtigen jüdischen Kinder christliche Schulen. In Sophies Abschlussbeurteilung durch die Schule hieß es: Eine wahrhaft musterhafte Schülerin, deren Andenken mit Freude erfüllt.

Berichte der Tochter

Antonie Boas-Wohlhauer, eine Tochter von Sophie Meyer, hat eigene Familiengeschichtliche Erinnerungen zur Familie Boas formuliert. Darin berichtet sie, dass ihre Mutter schon in der Jugend allen die Vertraute, die Ratgeberin gewesen sei. Allerdings soll Sophie nur mit Widerwillen im Geschäft der Eltern geholfen haben. In ihren Erinnerungen berührt Boas-Wohlhauer auch das Thema Judenemanzipation. Sie stellt in der Rückschau fest: Die Stellung der Juden muss zu der Zeit in Minden ganz anders gewesen sein als jetzt (im Jahr 1920). Wie frei and selbstverständlich die Offiziere mit Juden verkehren in dem jüdischen Verein "Union", mit Mädchen tanzen, Theater spielen, ihnen den Hof machen, klingt heute märchenhaft. In diesem Zusammenhang berichtet Boas-Wohlhauer von Briefen einer Freundin der Mutter, Marianne Kitzitaft, in denen Bekanntschaften mit Mindener Offizieren geschildert werden. Namentlich genannt werden die Leutnants Anneke und Korff, die 1844 in Minden einen Lesezirkel für Offiziere gegründet hatten, der aber wegen demokratischer Tendenzen verboten worden ist. Beide Offiziere wurden später in sogenannten Ehrengerichtsverfahren wegen mangelnder Königstreue aus der Armee entlassen und sind nach der Niederlage der Revolution in Deutschland nach Amerika emigriert.

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Auszüge aus der Veröffentlichung:

Der Minden - Ravensberger
Das Jahrbuch in Ostwestfalen - 2004
76. Jahrgang 2004,
Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld
ISBN 3-89534-506-7
9,90 Euro
Erhältlich im Buchhandel

 

PRESSE-ECHO

Mindener Tageblatt, 12.11.2003

Heimattümelei nicht dabei
Minden-Ravensberger erscheint / Erinnerung an Sophie Meyer

Von Stefan Koch

Minden (mt). Im Minden- Ravensberger - einer jährlich erscheinenden Sammlung von Beiträgen zur Heimatgeschichte - hat jetzt auch Sophie Meyer ihren Platz gefunden. Der Mindener Publizist Kristan Kossack verfasste eine Abhandlung über die Frauenrechtlerin.

Im 76. Jahrgang ist kürzlich der "Minden-Ravensberger" erschienen, um wieder einmal lokalhistorisch Bedeutsames aus seinem Verbreitungsgebiet zu melden. Die Tradition nimmt Olaf Eimer, Inhaber des zuständigen Verlages für Zeitgeschichte, zum Anlass, auf die längst vollzogene Abkehr vom heimattümelnd-nationalistischen Ton hinzuweisen. So sind im reich bebilderten Band die Beiträge von 60 Autoren und Autorinnen zu finden, die sich nicht nur um Begebenheiten aus der bäuerlichen Lebenswelt drehen, sondern auch verstärkt das Dritte Reich, Judenverfolgung und die Nachkriegszeit zum Thema haben. Nicht zuletzt findet Regierungspräsident Andreas Wiebe im Vorwort würdigende Worte für die "handverlesene Mischung von Bildern und Berichten aus Ostwestfalen". Und auch Minden ist in mehreren Beiträgen mit dabei.

Einer davon stammt von Kristan Kossack, der sich mit Sophie Meyer beschäftigte. Sie wurde am 12. Juli 1828 in Minden als Tochter eines jüdischen Kaufmanns geboren - bislang wies eine Tafel auf ihr Geburtshaus am Markt 14 hin. Mittlerweile wurde sie abmontiert.

Sophie Meyer begeisterte sich für die liberalen Ideen der 1848er-Revolution und war in politischen Zirkeln aktiv, wo sie sich auch für die Frauenemanzipation einsetzte. Ihre Leistung für das Mindener Gemeinwesen bestand in der Gründung eines Reform -Kindergartens im Jahre 1860. Gleichzeitig stand sie in Verbindung zu Personen der Zeitgeschichte des 19. Jahrhunderts. So ist sie die Mutter von Franz Boas, der sich nach seiner Auswanderung in die USA als Ethnologe einen Namen machte. Zudem war sie mit dem Mediziner Abraham Jacobi befreundet, der als Kommunist in die Vereinigten Staaten ins Exil ging und dort die Kinderheilkunde wesentlich prägte.

Ein anderes Streiflicht des diesjährigen Minden-Ravensbergers aus der Weserstadt widmet sich der Nachkriegszeit. Hans-Ulrich Kammeier zeigt in seinem Beitrag "Vom Krieg verdorben" die Schattenseiten der Wirtschaftswunderzeit auf. Er schildert den Fall eines Wehrmachtsoffiziers, der als Kriegswaise und Entwurzelter wirtschaftlich scheitert und Selbstmord begeht. Und er schildert den Erfolg jener, die als Funktionäre ihren Kurs ungehindert fortsetzen konnten. So hielt 1956 Mindens Stellvertretender Bürgermeister Dr. Hans Mosel - die FDP war seine Partei - vor rund 10 000 ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS eine markige Rede auf Kanzlers Weide.

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Hier erhalten Sie das vollständige Manuskript "Sophie Meyer - eine Bürgerin Mindens" als PDF-Datei [ca. 43 kB]

Familie Meier Boas von links: Franz Boas, Sophie Meyer-Boas, Meier Boas,Toni Boas und (wahrscheinlich) Aenne Boas
aus: Douglas Cole: "Franz Boas - The early years 1858 - 1906"

 

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Erinnerungstafel für Sophie Meyer

Enthüllt - entfernt - wieder anmontiert - spurlos verschwunden?

 

1989

Mindener Tageblatt vom 20.10.1989

Ehrung für Frauenrechtlerin - Grüne enthüllten gestern Gedenktafel für Sophie Meyer

Minden (um). Eine Ehrentafel zum Gedenken an Sophie Meyer brachten gestern Mitglieder der Grünen an das Geburtshaus (Markt 14) der Mindener Frauenrechtlerin an. "Das Schild soll an eine Frau erinnern, die sich bereits vor über 100 Jahren für die Gleichheit aller Menschen, Männer wie Frauen, entschieden einsetzte", erklärte Ingrid Below-Hartge.
Leider wisse man nicht sehr viel von dieser Mindener Bürgerin, die am 7. Juli 1928 geboren wurde, bedauerte die Vertreterin der Grünen. Lediglich in den Beiträgen des Mindener Geschichtsvereins sei einiges über das Wirken von Sophie Meyer und ihrer jüngeren Schwester Fanny nachzulesen.

"Versperrt den Frauen nicht jeden Weg zu leben". Solche und ähnliche Äußerungen stammten aus einem Briefwechsel zwischen Sophie und dem sozialistischen Demokraten und späteren Begründer der Kinderheilkunde in Amerika, Abraham Jacobi aus Hartum, meinte Ingrid Below-Hartge. Sophie und ihre Schwester Fanny seien enge Freundinnen und Vertraute von Abraham Jacobi gewesen - Fanny heiratete ihn später. "Vielleicht nach Jahrhunderten, wenn alle Menschen als Menschen anerkannt, wird auch das Joch gebrochen, das auf den Frauen lastet. Auch sie werden sich erheben, von den Verhältnissen und Zeiten emporgehoben, sich auf den Platz schwingen, der ihnen gebürt", heißt es in einem der Briefe weiter.

Die beiden Schwestern, die in Minden die Höhere Töchterschule besuchten, galten als besonders aufmerksame Schülerinnen. Gemeinsam gründeten sie später ein Kränzchen von und mit jungen Frauen, die sich gegenseitig wissenschaftlich ausbilden wollten. Der damalige Landrat von Minden, Carl Freiherr von Schlotheim, bezeichnete diese Treffen zunächst als "Kindereien", berichtete Ingrid Below-Hartge. Einige Zeit später sei das Kränzchen dann jedoch verboten worden.

Im Jahre 1854 richtete Sophie Meyer in Minden den ersten Fröbelschen Kindergarten ein, was zu der damaligen Zeit ein großer Schritt war. Alles was man außerdem über Sophie Meyer wisse, sei dass sie später den Kaufmann Boas geheiratet habe, so die Vertreterin der Grünen. Ihr gemeinsamer Sohn Franz Boas ging als bedeutender Ethnologe und Anthropologe in die Geschichte ein. Die Familie zog später nach Berlin.

Bereits im Mai des vergangenen Jahres hatten die Grünen einen Antrag für die Errichtung einer Ehrentafel für Sophie Meyer gestellt. Der Antrag sei zwar inzwischen im Hauptausschuss beraten worden, aber da man bis heute noch keinen positiven Bescheid für die Errichtung der Tafel erhalten habe, sei man nun selber aktiv geworden, so die Grünen gestern Nachmittag während der Enthüllung der Gedenktafel.

Eine Ehrentafel für die Mindener Frauenrechtlerin Sophie Meyer enthüllten gestern Nachmittag die Vertreterinnen der Grünen, Ingrid Below Hartge, Brigitte Ulbrich und Gerda Freymuth (von links). MT-Foto: um

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1999

Mindener Tageblatt vom 27.12. 1999

Schild weg - keiner hat's gemerkt. Gedenktafel von Sophie Meyer vor anderthalb Jahren abmontiert
Erinnerung an Frauenrechtlerin von Stefan Koch

zum vollständigen Artikel im pdf-Format [919kB]

 

2003

Die Tafel für Sophie Meyer ist erneut verschwunden

 

2008

Boas - Gedenktafel Markt 14

Von der Stadt Minden wurde im Franz Boas Jahr 2008 diese Erinnerungstafel an den bekannten Gelehrten, einem Sohn von Sophie Meyer, am Haus Markt 14 angebracht (Vgl. MT vom 16. Juni 2008). Über das Schild für Sophie Meyer heißt es heute, es sei nicht mehr auffindbar, verschwunden. Im öffentlich genutzten „Hofviertel“, das von Sophie Meyers Geburtshaus Markt 14 bis zur Opferstraße reicht und dem ehemaligen Grundstück der Meyers entspricht, gibt es mehrere geeignete Punkte, um trotz alledem an die engagierte Mindener Demokratin und Frauenrechtlerin zu erinnern.
Minden, November 2008

 


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