Sinto-Verfolgung in Minden In der neuen MT-Serie „Mindener Sinti in der NS-Zeit“ wird die Geschichte einer Minderheit beleuchtet, die bislang nur geringe Beachtung fand. Gleichwohl waren die Betroffenen in der Zeit der Nazi-Herrschaft massiven Repressalien ausgesetzt.
Links zur Serie „Mindener Sinti in der NS-Zeit“ im
„Mindener Tageblatt“ vom 4.12.2010 „Mindener Tageblatt“ vom 27.11.2010 „Mindener Tageblatt“ vom 16.10.2010 „Mindener Tageblatt“ vom 18.09.2010 „Mindener Tageblatt“ vom 21.08.2010 „Mindener Tageblatt“ vom 03.07.2010 „Mindener Tageblatt“ vom 05.06.2010 „Mindener Tageblatt“ vom 15.05.2010 Siehe auch den MT-Leserbrief von Wolfgang Gretzinger zum Schicksal des Mindener Sinto Heinrich Kreuz. „Mindener Tageblatt“ vom 24.04.2010 „Mindener Tageblatt“ vom 27.03.2010 „Mindener Tageblatt“ vom 26.02.2010: Achtung: Artikel, Fotos und sonstige Informationen aus dem MINDENER TAGEBLATT / MT-ONLINE sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht ohne Einwilligung der Chefredaktion verwandt werden.
Dokumente und Fotos Familie Winterstein vor ihrem Wohnwagen (Wurdi) am am Königswall um 1932. Marseli Winterstein, der die Fotos von seiner Familie und von der Familie Wiegand zur Verfügung gestellt hat, ist 2007 in Minden verstorben. Unten von rechts nach links sitzend: Marseli Winterstein, Cousine Leila (Elisabeth), Bruder Wilhelm, Mutter Apolonia Winterstein geb. Weigand, Bruder Rigo, Söni Georg (Vetter von Apolonia Winterstein), stehend: Vater Adam Winterstein und Otthilie Schmitz, geb. Wiegand (Schwester von Apolonia Winterstein).
Anti-Zigeuner Verordnungen (Staatsarchiv STAH in der Akte Polizeibehörde II 455)
Steinbachs Beglaubigungsschreiben von den Partisanen (Privatbesitz Marseli Winterstein)
Rassendiagnose nach „Zigeunerforscher“ Dr. Robert Ritter
„Rassendiagnose“ nach Ritter (KAM, Stadt MindenGII, Nr. 385)
„Zigeunerforscher“ R. Ritter von der Rassenhygienischen Forschungsstelle stuft Erna
Lauenburger als „Zigeunermischling“ ein. Ritters Gutachten wird zum Todesurteil, denn „Zigeunermischlinge“ (ZM) fallen im Januar 1943 unter den Auschwitzerlass.
Nach Verweigerung des Kriegsdienstes erst im KZ und danach im Strafbataillon gelandet
Trupp der Panzerabwehrabteilung 41/6.PD, in der Bildmitte unten hinter dem Schild „Trupp 11“ befindet sich Friedrich Müller. Foto: Privatbesitz David Hennig Der Mindener Sinto Friedrich Müller (geb. 25.9.1915, gest. 22.1.1993) wurde 1937 Soldat.
Zur Ausbildung war er bis 1939 beim IR45 in Marienburg stationiert. 1939 wurde er zur Panzerabwehr Abt. 41/6.PD nach Ottersberg bei Bremen versetzt. Nach Begutachtung
durch einen so genannten „Zigeunerforscher“ (Dr. Robert Ritter), sollte er im Krieg zum März 1941 aus rassischen Gründen aus der Wehrmacht entlassen werden. Dennoch kam
er noch beim Einmarsch in Russland zum Einsatz und wurde dort im Juli 1941 verwundet. Bei einem Besuch in Minden nach seinem Lazarettaufenthalt erfuhr Müller, dass seine
Schwester und ein Halbbruder ins KZ gekommen waren. Daraufhin verweigerte er den weiteren Kriegsdienst und erklärte: Man könne ihm nicht zumuten, „für ein System zu
kämpfen, das die Zigeuner verfolgt“. Eine Verurteilung wegen „Fahnenflucht“ zu sieben Jahren Zuchthaus war die Folge und Müller verblieb von 1942 bis 1944 in einem Moorlager
im Emsland in Haft. Wegen der katastrophalen militärischen Entwicklung für Nazi-Deutschland gehörte Müller 1944 zu jenen KZ-Häftlingen, die zur „Bewährung“ ins
Strafbataillon 500 gesteckt wurden. Er geriet nach drei Monaten, erneut in Russland im Einsatz, bei Tarnopol in Kriegsgefangenschaft und konnte erst 1949 wieder nach Minden zurückkehren.
Quelle der nachfolgenden 3 Bilder: Ausschließungsschein aus der Wehrmacht von Christian Weiß
„Fälle, in denen festgestellt wird, dass Zigeuner und Zigeunermischlinge noch in der Wehrmacht stehen, werden der Partei-Kanzlei ... laufend mitgeteilt“.
„L. wurde am 11.3.1943 in das polizeiliche Arbeitslager Auschwitz überführt“ Internet-Tipp: Siehe auch Wikipedia – ein Projekt zum Aufbau einer Enzyklopädie aus freien Inhalten in allen Sprachen der Welt.
Sinti Ausgrenzung im Alltag
Protestschreiben der Firma Homann (KAM, M30 357)
Schreiben der NSDAP zum „Schutz“ der deutschen Frauen.
Im Verlauf des Kriegs wurden vor allem so genannte Zigeunermischlinge analog zur Endlösung der Judenfrage aus dem Deutschen Reich nach Osten deportiert. Himmlers Auschwitzerlass ist am 16. Dezember 1942 ergangen. Danach sollten die letzten, etwa noch 10 000 in Deutschland lebenden „Zigeunermischlinge, Rom-Zigeuner, nicht-deutschblütigen Angehörigen zigeunerischer Sippen balkanischer Herkunft“ in den folgenden Monaten nach Auschwitz verschleppt werden.
Deportation nach Auschwitz Am ehemaligen Amtsgericht in der Kampstraße sind die Mindener Sinti zusammen geholt worden, bevor sie nach Auschwitz deportiert wurden.
Amtsgericht in der Kampstraße (Foto: Verfasser)
Dokument von der Kripo in Hannover
Bisher bekannte Mindener Sinti, die in Konzentrations- und Vernichtungslagern ihr Leben lassen mussten: Alexander und Otto Strauß Quellen: Landesarchiv NRW – Abteilung Ostwestfalen-Lippe – M 1 I P Nr. 1578; Kommunalarchiv Minden, H30 357 und Wiedergutmachungsakten, Gedenkbuch Die Sinti und Roma im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Herausgeber Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, München.London.New York.Paris 1993 Der größte Teil der oben genannten Sinti kam nach Auschwitz, nachdem sie vor dem Abtransport über Hannover am 3. März 1943 von der Mindener Kripo beim ehemaligen Amtsgericht in der Kampstraße (Vergleiche „Sammeln vor dem ehemaligen Amtsgericht“ in: MT vom 16. Oktober 2010) zusammengeholt worden waren. Hinweistafeln oder Gedenksteine, die es in vielen deutschen Städten gibt (Vergleiche nachstehenden Hinweis aus dem Newsletter des Zentralrats der Sinti und Roma in Deutschland, Januar/2011) sucht man in Minden bisher vergeblich. Aus: Newsletter des Zentralrats der Sinti und Roma in Deutschland. Zur Haltung der Sinti und Roma zum Stolpersteinkonzept siehe die Stellungnahme des Zentralrats auf der Unterseite: Diskurs über Stolpersteine in Minden.
Sterbeurkunde von Maria Wiegand
Foto der Familie Wiegand Das 1922 in Minden aufgenommene Foto zeigt unten von rechts nach links: Otthilie Wiegand, später verheiratete Schmitz, Heinrich Wiegand, Heida Wiegand, geb. Weiß (in Auschwitz umgekommen); dahinter stehend Wilhelm Wiegand (in Auschwitz umgekommen), Moka Wiegand, die Tochter von Heida und Wilhelm Wiegand (in Auschwitz umgekommen), Elisabeth Maria Wiegand (in Auschwitz umgekommen), dahinter stehend Johannes (Laurentius) Wiegand (mit Hut), Stephan Wiegand (in Auschwitz umgekommen), dahinter stehend Apolonia Wiegand, später verheiratete Winterstein. Über die in Minden verbliebenen Sinti hatte Flessner erklärt: „Bleiben durften nur die reinrassischen Zigeuner von der Sippe M., K. und L.“ Diese Aussage trifft nur zum Teil zu. Marseli Winterstein wies z.B. darauf hin, dass auch seine Familie von Ritter als „reinrassig“ eingestuft und nicht deportiert worden ist. Der Vater Adam Winterstein habe in Minden bis zum Kriegsende weiter als Lastwagenfahrer gearbeitet. Auch verschiedene als „Zigeunermischling“ eingestufte Mindener Sinti waren von der Deportation nach Auschwitz ausgenommen worden. Vermutlich wurde der chronische Arbeitskräftemangel des Regimes von den lokalen Verfolgungsbehörden als zusätzliches Kriterium bei der Umsetzung von Himmlers „Auschwitzerlass“ berücksichtigt. Die meisten Mindener Sinti, die nicht nach Auschwitz kamen, sind im Frühjahr 1944 vom Arbeitsamt dem so genannten OT-Lager Störmede bei Lippstadt zugewiesen worden. Die Einweisung von „wehrunwürdigen Personen“ in Arbeitslager der Organisation Todt erfolgte erneut auf Verfügung Himmlers.
Schlafboxen in einer Baracke im sogenannten "Zigeunerlager" von Auschwitz, entnommen aus: Romani Rose (Hrg.) Der Nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma - Katalog zur ständigen Ausstellung im Staatlichen Museum Auschwitz, Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Seite 63, Heidelberg, 2003.
Nach dem Krieg: Grauzone zwischen Ausgrenzung und Duldung Mit der deutschen Kapitulation vom 8. Mai 1945 ist zugleich die „Zigeunergesetzgebung“ in ihrer völkisch-nationalsozialistischen Variante aufgehoben worden. Nicht aufgehoben oder überwunden sind aber tradierte Vorurteile gegen Sinti und Roma und die Tatsache, dass bisher hierzulande keine andere Minderheit in vergleichbarer Weise bei Aufklärung und Wiedergutmachung „vergessen“ wurde und wird. Artikel aus der „Freien Presse“ vom 23.12.1949 / Nr. 199 Im obigen Artikel in der "Freien Presse" vom 23. Dezember 1949 ist unter anderem zu lesen: "Minden beherbergt seit Jahrzehnten eine Anzahl von Zigeunerfamilien in ihren Mauern. Bis zum Jahre 1945 war das Verhältnis zwischen diesen und der einheimischen Bevölkerung einigermaßen erträglich, da die Zigeuner bemüht waren , sich in die für ein Zusammenleben notwendige Ordnung einzufügen. Das ist nach 1945 völlig anders geworden. (Redaktionelle Hervorhebung, siehe auch die Anmerkung unten) Der Zustrom neuer Zigeunerfamilien ist so groß, dass Straßen und Plätze der Stadt oft geradezu von Wohnwagen übervölkert sind. Vielfach sind es auch gerade stadteigene Häuser, in denen die Neuankömmlinge Unterschlupf suchen und finden. Die Frage des Zuzugs und der polizeilichen Meldung sollte hier besondere Beachtung finden. Diese Menschen müssen und sollen selbstverständlich als Menschen behandelt werden und Obdach finden. Über das 'Wie' sollte sich die Stadtverwaltung aber im Interesse der Gesamtbevölkerung einmal ernstlich Gedanken machen. Unhaltbare Zustände, auf die die Stadtverwaltung wiederholt aufmerksam gemacht worden ist, können und dürfen nicht geduldet werden. Ein Gang durch die Altstadt (Oberstadt) zur späteren Abendzeit dürfte für die Stadtvertreter und die zuständigen Amtsstellen (Ordnungsamt) sehr aufschlussreich sein." Anmerkung:
Nächtliche Schmierereien am Sinti-Zentrum in Quetzen / Polizei schaltet Staatsschutz ein
Verwendete Literatur ***** Überregionale Empfehlung:
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